Wiener Kammerchor

Manfred Trojahn: Orest

Dirigent: Walter Kobera.

In "Orest" arbeitet Manfred Trojahn in einem eigenen Libretto den Mythos vom Muttermörder auf. Die zentralen Motive in der Version seines Musiktheaters liegen zunächst in seinem Interesse,

„einen Grund für die Ereignisse zu finden, der (über die Abfolge von Tat und Rache hinaus, die sich ja durch alle Teile des Artriden-Mythos zieht,) einen Einblick vermitteln kann in die Voraussetzungen, die jene Handlungen auslösen, vor denen wir sprachlos stehen.“

Orest – die Hauptfigur des Dramas – ist ein Leidender, der sich von der Göttermacht zu emanzipieren sucht. Schließlich erliegt er der Übermacht des Befehls Apollons und tötet seine Mutter Klytämnestra.

„Er vibriert, zwischen Fremdbestimmung und der Vision von einem neuen Leben," so Manfred Trojahn. „Er macht nur einen Fehler – er meint, er könne die Schuld hinter sich lassen – und er wird erst spät bemerken, dass er mit der Schuld zu leben hat, um sie zu überwinden.“

Drei weibliche Figuren – Elektra, Hermione und Helena – verkörpern divergierende Charaktere. Klytämnestras Halbschwester Helena – um die der Zwist zwischen Menelaos und Paris von Troja sich entspann –, deren Tochter Hermione und Elektra. Elektra versucht Orest zu weiteren Morden anzutreiben. Die gealterte Helena ist gefangen in ihrer Rolle als unnahbarer Urtypus der Schönheit. Nur die Jüngste von ihnen, Hermione, könnte ihm eine Zukunft, einen Ausweg in Liebe eröffnen.

Die duale männliche Göttermacht, verköpert durch Apollo als politischen Zyniker und Dionysos als sinnlichen Verführer, wird zu einer einzelnen Figur verschmolzen.

Eine besondere Klammer bildet der musikalisch eindruckvolle Ausgangspunkt der Oper  – ein Traumbild des in seiner Qual gefangenen Orest: Sechs Frauenstimmen, zuweilen gekoppelt an sechs Soloviolinen, die klanglich den ganzen Zuschauerraum ausfüllen.

„Ich habe vermieden, sie als Erynnien zu bezeichnen, denn ich denke eher an psychische Vorgänge ‚in’ Orest als an mythische Fabelwesen. Und sie sind auch die multiplizierte Stimme Klytaimnestras. Diese Musik kehrt immer zurück, wenn Orest von seinen Gewissensqualen erreicht wird.“

Der Schluss bleibt offen:

„Ob Orest den Weg gefunden hat? Ich kann es nicht beantworten. Wie alle meine Opernhelden geht er am Schluss fort, ohne uns eine Antwort auf unsere Fragen zu geben.“

Weitere Informationen: www.neueoperwien.at.

Link zur Kritik in Die Presse

Link zur Kritik in der Wiener Zeitung